top of page

Softskills: Resilienz

  • Autorenbild: Dovile Kietzmann
    Dovile Kietzmann
  • 20. Okt. 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Feb.

Was bedeutet Resilienz? Laut Duden stammt das Wort 'Resilienz' aus dem Lateinischen 'resilire', was 'zurückspringen' bedeutet. Dieser Begriff wird auch in der Material- und Werkstoffkunde verwendet. Hierbei beschreibt Resilienz die (physikalische) Fähigkeit eines Materials, nach seiner Verformung durch äußere Belastung und physische Beanspruchung wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. "In der Psychologie steht es für 'Widerstandskraft', die Menschen Krisen meistern und Schweres bewältigen lassen. [...] Dies beinhaltet die psychische und physische Stärke, die es Menschen ermöglicht, Lebenskrisen ohne langfristige Beeinträchtigung zu meistern."*


Widerstandsfähigkeit: Stark bleiben in der Veränderung


Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, sich inmitten von Herausforderungen zu behaupten und gestärkt aus Veränderungen hervorzugehen. In einer Welt, die sich ständig wandelt, ist die Fähigkeit, sich anzupassen und aus Rückschlägen zu lernen, entscheidend. Widerstandsfähige Individuen sehen Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Chance für persönliches Wachstum und berufliche Innovation.


Warum sind nicht alle Menschen gleichermaßen resilient?


Die innere Widerstandskraft ist sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Was dem einen Menschen wie eine erdrückende Belastung erscheinen mag, bereitet dem anderen vielleicht gar keine Mühe, ja erscheint ihm sogar als willkommene Herausforderung.

Resilienz entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, die uns im Leben begegnen. Die nötige innere Stärke hängt auch stark von sozialer Herkunft, persönlichen Erfahrungen und dem Umfeld ab. Es können verschiedene Gründe sein, die uns aus der Bahn werfen: Misserfolge, globales Krisenumfeld, persönliche Traumata oder Konflikte.


Es sind aber auch manche genuine Eigenschaften, die uns stärken und uns kreative Wege aus der Krise weisen. Zum Beispiel Sozialkompetenz oder Optimismus sind die Fähigkeiten, die uns Zuversicht vermitteln und uns daran glauben lassen, dass wir einen positiven Weg aus schwierigen Zeiten finden können.


Resilienz im Arbeitsalltag: Was kann uns helfen?


In der schnellen und sich stetig verändernden Arbeitswelt, ist Resilienz zu einem der wichtigsten Softskills geworden. In einem Gespräch habe ich gemeinsam mit Bernadette Beck, Bei Bei Yu und Judith Praßer versucht, diesem besonderen Softskill auf den Grund zu gehen.



Gesprächsthema Resilienz
Wir sprechen darüber, was macht Resilienz aus und wie gelangen wir zu mehr Resilienz


Dovile: Zunächst stellt sich die Frage, wie präsent das Thema Resilienz in der Arbeitswelt ist. Bei Bei, du begegnest in deiner Tätigkeit als Coach vielen Arbeitnehmer*innen, die ihre Herausforderungen mit dir teilen. Wie oft berichten deine Klient*innen von Resilienz-Einbrüchen?


Bei Bei: In meinen Coachings begegne ich oft der Frage nach der Verbesserung der Resilienz. Meine Klient*innen nutzen nicht immer den Begriff Resilienz, aber es werden Fragen formuliert wie:

  • Wie kann ich besser mit herausfordernden Situationen oder Veränderungen umgehen?

  • Ich bin oft gestresst. Was kann ich tun, um Überforderung oder Stress zu vermeiden?

  • Mein neuer Kollege ist in vielen Bereichen besser als ich, was mich verunsichert. Was kann ich gegen diese Unsicherheit tun?


Wenn wir Resilienz mit Widerstandsfähigkeit gleichsetzen, startet die Stärkung der Resilienz mit einer guten Selbstfürsorge. Im Coaching schaue ich mit meinen Klient*innen nicht nur auf potentielle Entwicklungsfelder, sondern vor allem auf ihre Ressourcen. Fragen wie: "Welche Tätigkeiten machen mir Spaß?", "Was gibt mir Kraft?", helfen meinen Klient*innen bei der Reflexion, wie sie ihren Energietank aufladen können. Es ist wichtig, auf die eigenen Ressourcen zu achten, damit man die Herausforderungen des Lebens meistern kann.


Dovile: Machst du als Teamleiterin ähnliche Erfahrungen, Bernadette? Erlebst du, dass Teammitglieder mit einer geringen Widerstandsfähigkeit zu kämpfen haben? Und wie erkennst du, ob eine fehlende Resilienz zu ungesunden Dynamiken im Team führt?


Bernadette: Generell habe ich einen siebten Sinn für ungesunde Teamdynamiken. Wenn ich den Menschen zuhören, erkenne ich u.a. schon an der Art, wer spricht oder nicht spricht, ob das Gespräch eine zielorientierte Kommunikation ist oder ob etwas anderes eine Rolle spielt. Merke ich, dass etwas nicht stimmt, werde ich hellhörig. Ich fange dann mit dem fachlichen Fragen nach akutellen Aufgaben an. Das hilft mir, einzuschätzen, ob es inhaltliche Probleme oder Prozessprobleme gibt und was die Ursache dafür sein könnte. Dann schaue ich, dass ich mit demjenigen, der die Prozess- oder fachlichen Probleme lösen sollte, direkt Maßnahmen identifiziere.


Ich erkenne auch schnell, ob einzelne Personen ein Rollen- oder Kompetenzproblem haben. Oft begegnen mir Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Komfortzone zu verlassen, oder nicht die passende Kompetenz haben. Dann fange ich an, mit ihnen zu arbeiten. Diejenigen, die keine Bereitschaft haben, sich zu verändern, gehen meistens nach einer Weile von selbst oder ich muss sie schlimmstenfalls abziehen. Das gehört mit zu meinem Job, in dem ich Entscheidungen treffen kann und muss. Gibt es Personalien, die außerhalb meiner Verantwortung liegen, baue ich das System um sie herum. Dann ist das Ziel, dass sie von außen keinen destruktiven Einfluss mehr auf die Teamdynamik nehmen können. Es hilft auch, ihnen eine Beschäftigung zu geben.


Dovile: Arbeitest du dabei mit theoretischen Wissen, das du dir angeeignet hast oder vertraust du deinem Bauchgefühl?


Bernadette: Generell bin ich ein sehr intuitiver Mensch, aber ich habe auch eine fundierte psychologische Ausbildung zum systemischen Coach absolviert. Das theoretische Wissen kann ich inzwischen gut mit meiner Intuition kombinieren. Ich folge immer zuerst meiner Intuition und versuche meine Entscheidungen dann an Fakten auf die rationale Ebene zu holen. Diesen Weg nutze ich zu 95 Prozent.


Dovile: Und wie baust du deine eigene Resilienz auf? Denn als Führungskraft bist du oft Stress ausgesetzt. Wie gehst du mit ihm um und stärkst deine Widerstandsfähigkeit ebenso wie deine Führungsposition?


Bernadette: Zunächst bin ich mir meiner Rolle sehr bewusst. Ich kenne meine Verantwortung und weiß, was ich beeinflussen kann und was nicht. Ich habe für mich gelernt, dass ich nur in meiner Verantwortung stehen kann, wenn es mir gut geht und ich die entsprechende Distanz habe. Für diesen gesunden Abstand habe ich unterschiedlichste Methoden. Zum einen hilft Achtsamkeit, den eigenen Zustand erkennen zu können. Einen achtsamen Umgang mit mir selber pflege ich durch Wandern, Spaziergänge und Yoga. Seitdem ich diese Aktivitäten in meinen Alltag integriert habe, bin ich viel robuster, bleibe gelassener und kann besser Distanz wahren. Dadurch verbessert sich auch meine Ernährung und mein Schlaf. Nur ganz selten wache ich nachts auf und muss an ein ungelöstes Problem denken. Selbstverständlich gibt es auch unruhige Zeiten. Aber dessen bin ich mir in dem Moment bewusst und investiere dann umso mehr in eine achtsame Haltung, um wieder Ruhe zu finden. Neben den Achtsamkeits-Mechanismen habe ich mir auch ein solides Netzwerk aufgebaut. Die Menschen in meinem Umfeld verstehen es, meinen Fokus auf andere Themen wie die Familie zu lenken. Und im Arbeitsumfeld spreche ich gerne mit Vertrauten, mit denen ich nicht direkt zusammenarbeite, um in einen nicht-vorbelasteten Austausch einzusteigen.


Dovile: Arbeitest du auch mit der konkreten Zielsetzung, resilient zu bleiben und Resilienz als Kernfähigkeit zu sehen?


Bernadette: Ja, ich bin ein sehr klarer, zielorientierter Mensch. Das heißt: Wenn ich in der verantwortlichen Position bin, und wenn es noch keine vorgegebenen Zielsetzungen gibt, definiere ich klare Ziele. Und zwar nicht nur für die nächsten sechs Monate. Es geht mir nicht um die nächsten praktischen Schritte, sondern den Sinn des Projekts oder der Unternehmung. Dabei bin ich für mich zu jedem Zeitpunkt sehr klar und arbeite daran, diese Klarheit zu schaffen und zu erhalten. Klar zu wissen, was das Ziel ist, hilft mir zum einen, gegenläufigen Dynamiken im Team sofort zu erkennen. In dem Fall geht kein Weg daran vorbei, die Störungen zu beseitigen. Und zum anderen hilft mir Klarheit, Abstand zu halten, wenn ich wegen meiner Leidenschaft für meinen Job Gefahr laufe, die Distanz zu verlieren.


Dovile: Judith, du hast nach deiner geisteswissenschaftlichen Ausbildung den Weg ins Marketing eingeschlagen. Hast du kreative Methoden, Resilienz in einem Marketing-Job zu behalten?


Judith: Der Bezug zu meiner literaturwissenschaftlichen Ausbildung ist tatsächlich ein interessanter Punkt. In der digitalisierten Arbeitswelt kommunizieren wir oft in schriftlicher Form: in E-Mail, im Chat, in Kurznachrichten. Und da ich mit Schriftsprache gut umgehen kann, hilft es mir, Probleme wie etwa Konflikte, Missverständnisse oder fehlende Wertschätzung zu verarbeiten, indem ich meine Sicht z.B. in einer E-Mail formuliere. Für mich gilt natürlich auch die Regel: Schick die E-Mail erst ab, wenn du dreimal durchgeatmet oder eine Nacht darüber geschlafen hast. Denn erst dann kommen die Ideen, wie man seinen Punkt noch besser formulieren, wie man sachlicher bleiben und überzeugender wirken kann. Und genau dieser Prozess, die angemessene Ausdrucksweise zu finden, ist ein Selbst-Therapeutikum. Danach geht es mir schon besser.


Wer nicht so den Bezug zum Schriftmedium hat, dem empfehle ich, mündliche Gespräche zu führen. Ich stelle bei mir selber oft das Bedürfnis fest, mich nach aufreibenden Situationen mit Kolleg*innen auszutauschen. Man könnte auch sagen: Ich zapfe mein Netzwerk als Ressource an. So wird das Netzwerk zum Sicherheitsnetz. Allerdings helfen mir gar nicht so sehr die Personen, die meine Sicht sofort bestätigen, sondern vielmehr diejenigen, die mir auch ein paar Hinweise und Feedback mit auf den Weg geben. Wenn ihr Menschen mit analytischer Begabung in eurem Umfeld habt, werden die Gespräche mit ihnen eure Selbstreflexion enorm fördern. Hiermit möchte ich mich auch bei meinen Kolleg*innen bedanken, die oft ein offenes Ohr für mich haben.


Und der ganz praktische Tipp, den ich noch geben kann, klingt vielleicht wie aus dem Lehrbuch: Tatsächlich helfen mir Sport und Bewegung (vor allem draußen), mein Gleichgewicht zu behalten. Nicht nur, weil ich mich in einem gestärkten Körper auch stärker im Alltag fühle, sondern auch weil Training auch immer einer gewissen Routine bedarf, die in stressigen Zeiten Sicherheit bietet.


Dovile Kietzmann: Und zu welchen Techniken zur Resilienzstärkung raten die Experten? Bei Bei, kannst du uns einen Überblick über die aktuelle Forschungsmeinung geben: Was wird als Methode empfohlen, um Dinge nicht persönlich zu nehmen?


Bei Bei: Die aktuelle Resillienzforschung beschäftigt sich mit den Fragen:

  • Wie kommt es, dass manche Menschen trotz widriger Umstände ein zufriedenes Leben führen?

  • Wie kommt es, dass manche Menschen aus Krisen gestärkt hervorgehen und andere daran zerbrechen?

Wichtig ist mir hervorzuheben, dass der Forschungsstand Hoffnung macht, dass man in jedem Lebensalter möglich ist, Resilienz zu erlernen.


Zur weiteren Erläuterung möchte ich einige schon erwähnte Punkte aufgreifen. Ein gutes Netzwerk zu haben, ob Familie, Freunde oder andere Vertrauenspersonen, stärkt die Resilienz. Ich vertrete die Meinung, dass negative Gefühle wie Trauer, Angst und Wut in einem herausfordernden Kontext oder Veränderungsprozess ganz natürlich sind. Im Coaching nutze ich die Veränderungskurve (von Kübler-Ross), um Klient*innen zu helfen, ihre Emotionen einzuordnen. Diese Emotionen unterstützen bei der Akzeptanz der Veränderungen und motivieren Menschen, wieder in Lernprozesse einzusteigen. Das Ziel ist, in die Lernzone zu kommen, wo die Klient*innen sich bewusst mit Veränderungen auseinanderzusetzen. Ein weiterer interessanter Artikel zu Lernen findet ihr hier auf unserem Blog.


Und dann habe ich noch eine Empfehlung für einen gelingenden Perspektivwechsel: Ein effektives Tool ist "The work" von Byron Katie.** Der Perspektivwechsel hilft dabei, andere Lösungsansätze zu erkennen, die auf die Stärkung der Resilienz einzahlen. Das Worksheet*** ist enorm praktisch und leistet gute Unterstützung eine andere Perspektive einzunehmen.


Fazit


Resilienz ist entscheidend, um gesund durch den beruflichen Alltag zu navigieren. 'Never walk alone!' Ein starkes soziales Netzwerk ist immens wichtig, es bietet uns wertvolle Unterstützung stärkt unsere Widerstandskraft. Darüber hinaus sollten wir auf unsere persönlichen Ressourcen achten. Zudem fördern ein gesunder Abstand zur Arbeit und Klarheit in unseren Zielen unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit.


Indem wir diese Elemente in unseren Alltag integrieren, stärken wir unsere Widerstandsfähigkeit und schaffen eine solide Basis für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit.


Welches sind eure Resilienzstrategien? Wirkten einige unserer Gedanken auf euch vertraut oder seid ihr anderer Meinung? Lasst es uns gerne auf LinkedIn wissen.


Dieses Interview ist Teil unserer Serie "Softskills im Berufsleben". Hier könnt ihr mehr über das Konzept und die Ideen, die sich dahinter verbergen, erfahren.


 
 
bottom of page